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Trailrunning: Laufen auf engen Pfaden

Extreme Anstiege, schweißtreibende Ausdaueranforderungen und dazu noch unwegsames Gelände. Trailrunning hört sich nach Quälerei an, erlebt unter Outdoorsportlern aktuell aber einen absoluten Boom.

Frau und Mann beim Trailrunning
Caja Schöpf und Janosch Kowalczyk Foto: Helge Röske
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Die trailverrückten Natursportler Caja Schöpf und Janosch Kowalczyk haben eine Runde gedreht und dabei erörtert, was die Faszination des Laufens auf engen Pfaden ausmacht.

Im absoluten Flow über Stock und Stein, durch dichte Wälder und weitläufige Berglandschaften. Trailrunning ist ungebunden – Freiheit und Strapaze zugleich. Doch was macht das Laufen auf engen Pfaden eigentlich aus? Janosch ist Profi, er startet bei langen Ultraruns und hochkarätigen Events. Caja ist Sportpsychologin und begeisterte Hobbyläuferin. Beide verbindet die Faszination Trailrunning, die Passion für die Symbiose aus Adrenalin- und Dopaminausschüttung. Bergauf den Puls am Anschlag und bergab im Rausch der Geschwindigkeit.

Wo die Wurzeln des Trailrunnings liegen? Was unsere Großeltern als Berg- oder Crosslauf betrieben haben, heißt jetzt einfach nur anders. Eine Sportart, deren Ursprung in der Leichtathletik und im Bergsport liegt. Das Wandern im Laufschritt wurde schließlich von einem großen Sportartikelhersteller mit dem trendigen Namen Trailrunning versehen – der Rest ist eine Erfolgsgeschichte.

Trailrunning: Laufen auf engen Pfaden

Erfolg hat Janosch bei Wettkämpfen auch, und zwar vor allem bei denen mit für die meisten unmenschlich klingenden Distanzen – den Ultradistanzen, seiner Paradedisziplin. Zu Janoschs größten Erfolgen zählen die Teilnahmen bei der Trailrunning-WM 2017 und 2018 und der Sieg beim World-Tour-Rennen in Kapstadt 2018.

"Alle drei Rennen liefen für mich perfekt und waren auch irgendwie der Grundstein für den Gedanken, es als Profi zu probieren." Ganz nach dem Motto "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt" ging Janosch all in. Er kündigte seinen Job als Ingenieur und startete als Profi durch. Somit hatte er genug Zeit, sich vorzubereiten. Von Vorteil, denn gerade bei den Ultradistanzen muss man enorm lange und vor allem viele Einheiten absolvieren. Manchmal auch mehrere Einheiten am Tag, um auf die hohen Umfänge an Kilometern zu kommen.

Sein Mut zur Veränderung zahlte sich aus. 2020 gewann er den K110 in Innsbruck. 2021 belegte er den sechsten Platz beim berühmten CCC UTMB (Courmayeur-Champex-Chamonix Ultra-Trail du Mont-Blanc). Und wenn Corona nicht wieder vielen Wettkämpfen einen Strich durch die Rechnung macht, wird man Janosch mit Sicherheit auch 2022 auf dem einen oder anderen Treppchen stehen sehen.

Caja Schöpf und Janosch Kowalczyk
Caja Schöpf und Janosch Kowalczyk Foto: Helge Röske

Während er Hunderte von Kilometern sammelt, läuft Caja fast ausschließlich aus Leidenschaft. Ihre Wettkampfzeiten als ehemalige Ski-Freestyle-Athletin sind vorbei und darüber ist sie auch froh. Wobei es sie hier und da kitzelt. Das Wettkampf-Feeling an der Startlinie, das Kribbeln im Bauch und diese angenehm-unangenehme Nervosität. "Irgendwie brauch ich das manchmal. So einen kleinen Nervenkitzel, sich mit anderen zu messen und an Grenzen zu gehen."

Erfahrungen, die Caja auch in ihrem Beruf als Sportpsychologin und Verhaltenspsychotherapeutin gut integrieren kann. Zum einen weiß sie bei der Arbeit mit Athleten, wie diese sich fühlen, und zum anderen legt sie ihren Klienten diese Erfahrungen gern ans Herz. "Man wächst nur über sich hinaus, wenn man mal die Komfortzone verlässt und einen Schritt Richtung Gefahrenzone geht. Bevor es jedoch wirklich gefährlich wird, kommt man zuerst in eine andere Zone – die Lernzone. And this is where the magic happens.“

Um Wettkampf-Feeling am eigenen Leib zu erfahren, gibt es zahlreiche Möglichkeiten. In Deutschland ist der GutsMuths-Rennsteiglauf mit dem Supermarathon als traditionsreichster "Querfeldeinlauf" seit Jahren eine Größe. Weltweit zählen der Ultra-Trail du Mont-Blanc in Frankreich, der Transalpine Run in den Alpen, der Transvulcania auf La Palma und der Transgrancanaria auf Gran Canaria sowie der berühmte 100-Meiler Western States Endurance Run in der Sierra Nevada in den USA zu den absoluten Highlights.

Der Ablauf ist simpel. Je nach Größe und Prestige des Wettkampfs muss man sich aber qualifizieren, um teilnehmen zu dürfen oder einen der begehrten Startplätze zu ergattern. Es gibt einen Start und ein Ziel. Auf den Strecken gibt es dann je nach Distanz zahlreiche Versorgungsstationen mit Snacks und Getränken. Zusätzlich haben die Profis meist private Versorgungsteams vor Ort, um das an Nahrung zu sich zu nehmen, was ihnen am besten bekommt. Bananen, Kartoffeln, Riegel, Cola etc. Die regelmäßige Energiezufuhr ist auf solchen Distanzen essenziell und im Profibereich sehr akkurat geplant. Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Man muss essen, bevor der Hunger kommt, denn dann ist es oft schon zu spät. Außerdem ist die Belastung so hoch, dass man viel ausprobieren muss, um herauszufinden, was einem bei diesen Strapazen noch bekommt und was weniger. Magenprobleme im Rennen sind keine Seltenheit und können zum Desaster werden.

Die Distanzen variieren enorm. Trailrunning-Wettkämpfe zeichnen sich in erster Linie aber dadurch aus, dass nicht nur eine Distanz gelaufen werden muss, sondern auch immer ein hohes Pensum an Höhenmetern zu bewältigen ist. Für Einsteiger gibt es allerdings großartige Wettkämpfe mit geringen Distanzen und überschaubaren Höhenmetern, die Lust auf mehr machen. Und wer es sich so richtig geben möchte, kann mit Janosch beim Ultra-Trail du Mont-Blanc mitlaufen. Der führt bei einem Zeitlimit von 46 Stunden um das Mont-Blanc-Massiv und hat eine Streckenlänge von etwa 168 Kilometern, wobei mehr als 10.000 Höhenmeter zu überwinden sind.

Danach weiß man dann definitiv, was man getan hat. Den beachtlichen Zusatz Ultraläufer verdienen aber erst die, die richtig beißen können. Als Ultratrails oder Ultraläufe werden jene bezeichnet, die länger als die Marathondistanz von 42,195 Kilometer sind. Die meisten Ultramarathons sind Landschaftsläufe, also Trailruns, deren Länge nicht normiert ist und sich nach den topografischen Gegebenheiten richtet. Ultramarathons mit mehr als 2.000 Meter Höhendifferenz werden als Ultraberglauf bezeichnet.

Ganz so heftig gehen es Caja und Janosch nicht an, als ich sie auf den Trails des Wettersteingebirges unweit der Zugspitze treffe und mit ihnen über Trailrunning, den Zugang zu diesem Sport und Tipps für Einsteiger spreche.

Caja Schöpf und Janosch Kowalczyk
Caja Schöpf und Janosch Kowalczyk Foto: Helge Röske

Wie seid ihr zum Trailrunning gekommen?

Caja: "Ich bin schon immer gern gelaufen. In meiner Zeit als Ski-Freestyle-Profi war das Laufen für mich eine super Möglichkeit, um an meiner Grundlagenausdauer zu arbeiten. Am liebsten war ich dabei schon immer im Gelände, am Berg und auf kleinen Wegen unterwegs. Trainiert nicht nur die Ausdauer, schult auch die Koordination. Trailrunning an sich war somit schon sehr lange Bestandteil meines sportlichen Daseins".

Janosch: "Während des Studiums war ich viel mit dem Rad unterwegs. Es war ein Freitagnachmittag, als ich mit einem Auto kollidiert bin und die Liebe zum Radfahren irgendwie nicht mehr ganz so gegeben war. Eine neue Herausforderung war schnell gefunden und ich habe mich zu ­einem Ultralauf im Schwarzwald angemeldet. Zwei Tage, 81 Kilometer und 3.400 Höhenmeter. Ein Feuer der Faszination für diesen Sport war entfacht."

Was macht für euch die Begeisterung fürs Trailrunning aus?

Caja: "Das schnelle Vorankommen über Stock und Stein, die Bewegung in der Natur, in den Bergen und der fast meditative Flow-Zustand während des Laufs."

Janosch: "Die Vielseitigkeit, und zwar im Bezug auf Lebenssituationen. Das ist nicht so philosophisch gemeint, wie es klingt. Laufen hält für jede Lebenslage eine Möglichkeit bereit. Ich trainiere für den Appetit am Abend (langer Lauf), um Gedanken zu verarbeiten (lockerer Dauerlauf), meine Grenzen zu finden (Tempolauf, Ultralauf). Das Schöne am Trailrunning ist dazu die Freiheit, sich unendlich fortzubewegen. Ich muss nicht die Forststraße direkt zum Kaiserschmarrn nehmen und denselben Weg zurück. Wenn ich Lust habe, laufe ich zuerst über drei Gipfel außen rum."

Wo liegen bei langen Läufen die psychischen und physischen Herausforderungen?

Caja: "Auf mentaler Ebene ist ganz klar der Faktor Zeit eine sehr große Challenge. Bei langen Läufen sind die Athleten oft 15 Stunden und mehr unterwegs – hier gibt es viel Raum für Gedanken. Das Problem während eines Wettkampfs sind die negativen Gedanken. Nehmen sie zu viel Platz ein, geht es mit der Leistung bergab. Zweifel, Ängste, Druck, Leid – all diese Gedanken sind ein Stück weit normal. Bei langer Belastung kann es aber passieren, dass man aus dieser Spirale nicht mehr herausfindet. Es ist wichtig, den richtigen Umgang damit zu lernen. Die Gedanken regulieren zu können, sie kommen und gehen zu lassen. Mit den Gedanken in einen inneren Dialog zu gehen, positive Instruktionen an sich selbst zu senden und kleine Ziele zu setzen, um entsprechende Erfolgserlebnisse zu haben."

Janosch: "Die mentale Belastung ist bei Ultraläufen groß, die Gedanken kreisen besonders an schlechten Tagen und man muss aufpassen, dass man an negativen Eindrücken nicht zerbricht. Wenn ich mich verlaufe, dann bin ich richtig wütend auf mich selbst. Das kann mich aus dem Konzept bringen. Andererseits aber würde ich den Druck eines Fußballspielers bei einem entscheidenden Elfmeter niemals aushalten. Genau hier kommt für mich auf mentaler Ebene der große Pluspunkt des Trailrunnings: Es ist eine sehr faire Sportart, man ist nur von sich selbst abhängig. Das Ergebnis in der Rangliste hat oft nur bedingt mit der Tagesverfassung zu tun, es spiegelt meist die monatelange Arbeit im Training wider."

Eure Tipps für Trailrunning-Neulinge?

Caja: "Lerne deine Schwächen und Stärken kennen. Überlege dir genau, in welchen Situationen was passiert und analysiere sie. Finde einen für dich passenden, individuellen Weg, mit dem du dich wohlfühlen kannst. Sei geduldig mit dir, erlaube dir Fehler und Niederlagen, probiere verschiedene Herangehensweisen aus. Trau dich – geht nicht, gibt’s nicht!"

Janosch: "Regelmäßiges Training und die Zeit auf den Beinen kontinuierlich steigern. Wenn man im Familienurlaub vor dem Frühstück läuft und tagsüber wandert, dann kommt man schon langsam an größere Umfänge heran. Für mich sehr wichtig waren auch immer Tipps von erfahrenen Läufern. Speziell im Bezug auf die Einschätzung von Be- und Entlastung im Training und Renneinteilung im Wettkampf war der Input von erfahreneren Athleten und Athletinnen immer sehr hilfreich für mich. Außerdem lebt Trailrunning für mich auch von Abenteuern und Erlebnissen. Eine coole dreitägige Tour, eine Nacht durchlaufen oder eine Strecke, die man sonst nur mit dem Auto fährt – für mich im Bezug auf die Motivation von enormem Wert. Die häufigsten Fehler: Überbelastung am Anfang, zu hohe Umfänge, zu schnelles und zu unregelmäßiges Training. Wer diese Fehler nicht macht, der macht schon viel richtig."

Welche Werkzeuge gibt es für ein erfolgreiches Trailrunning-Abenteuer?

Caja: "Sich selbst zu vertrauen, stärkt das Selbstbewusstsein – man ist zuversichtlicher und optimistischer. Zudem spielt die Kontrolle eine wichtige Rolle. Man sollte sich wirklich nur auf die Dinge konzentrieren, die man auch selbst kontrollieren kann. Alles andere ist Zeit- und Energieverschwendung. Control the controllable. Sobald man anfängt, sich mit Dingen zu beschäftigen, die sich nicht mehr im eigenen Handlungsspielraum befinden, ist man machtlos. Der innere, positive Dialog ist aus meiner Sicht das effektivste Mittel, um seine Ziele zu erreichen und auch über längere Zeit auf der richtigen Spur zu bleiben."

Janosch: "Für das Training habe ich sehr viele Routinen. Um es zu starten, benötige ich nicht viel Motivation, viel härter wird es während der Einheit. Hier besinne ich mich auf das, was ich bereits geschafft habe, und freue mich zum Beispiel auf das Essen nach dem Training. Im Rennen helfen mir ein guter Plan und der Abgleich zur Erwartung. Die erste Hälfte sollte rollen, Spaß machen, wobei man die Landschaft wahrnimmt und genießt. Wenn es zäh wird, frage ich mich oft: Was hast du erwartet? 70 Kilometer und 4.000 Höhenmeter hinterlassen Spuren, dafür fühlst du dich doch noch ganz gut! Gleichzeitig habe ich Mantras, denke Schritt für Schritt und bleibe vor allem im Rhythmus. Wenn der Treibstoff ausgeht oder man Schmerzen bekommt, wird es noch härter. Daher ist es wichtig, konsequent zu bleiben, regelmäßig Kohlenhydrate zuzuführen, den Puls zu kontrollieren und konstant zu bleiben. Je mehr Struktur, desto besser!"

Trailrunning: Ausrüstung

Trailrunning-Ausrüstung
Trailrunning-Ausrüstung Foto: Helge Röske

DIE AUSRÜSTUNG Trailrunning fasziniert deswegen so viele Läufer, weil jeder Trail anders ist und du immer wieder neu herausgefordert wirst. Für deine Ausrüstung bedeutet das, dass sie sich je nach Trail unterscheiden wird, so wirst du zum Beispiel nicht für jeden Lauf eine Stirnlampe benötigen. Jedoch solltest du einiges an Equipment immer dabeihaben. Generell gilt die Devise „weniger ist mehr“, denn unnützer Ballast schadet in jeder Hinsicht.

1 Faltbare Trailrunning-Ultralite-Stöcke von Leki, 179,95 Euro.

2 Funktionale, teilisolierte Fleecejacke von Adidas Terrex, 120 Euro.

3 Windbreaker ohne Kapuze von Adidas Terrex, 80 Euro.

4 Multifunktions-Longsleeve von Adidas Terrex, 60 Euro.

5 Trail-Arm-Sleeve von Adidas Terrex, 30 Euro.

6 Trailrunning-Top von Adidas Terrex, 45 Euro.

7 Trailrunning-Schuh Speed Ultra von Adidas Terrex, 180 Euro.

8 Windbreaker mit geringem Packmaß von Adidas Terrex, 140 Euro.

9 Flask für die Laufweste, 15 Euro.

10 Energieriegel: einfach ausprobieren, was einem schmeckt und beim Laufen gut funktioniert.

11 Kompressionssocken von CEP, 22,95 Euro.

12 Sportuhren 9 Peak und 9 Baro von Sunnto, ab 500 Euro.

13 Leichte Stirnlampe von Ledlenser, ab 29,90 Euro.

14 Trailrunning-Shorts von Adidas Terrex, 60 Euro.

15 Funktionsshirt von Adidas Terrex, 45 Euro.

16 Sport-BH von Adidas Terrex, 20 Euro.

17 Kompressionssocken von CEP, 22,95 Euro.

18 Leichte Laufcap von Adidas Terrex, 25 Euro.

19 Warme Trailrunning-Leggings von Adidas Terrex, 85 Euro.

20 Sportbrille von Oakley, 179 Euro.

21 Ultra-Trailrunning-Schuh mit Boa Fit System von Adidas Terrex, 20 Euro.

22 Faltbare Crosstrail-Superlite-Stöcke von Leki, 199,95 Euro.

Raus auf die Trails! Besonders empfehlenswerte Camps und Wettkämpfe 2022

  • 05.–07.05. Adidas Terrex Innsbruck Alpine Trailrun Festival (7 km Nighttrail, 15 km, 25 km, 35 km, 42 km, 65 km, 85 km, 110 km)

• 21.05. GutsMuths-Rennsteiglauf Schmiedefeld (21 km, 42 km, 72 km)

• 24.–26.06. Losheimer Trailfest Losheim am See (11 km, 23 km, 45 km, 75 km)

• 07.–09.07. Women’s Summer Festival (Trailrun zum Reinschnuppern und vieles mehr)

• 22.–28.08.UTMB in Chamonix, Frankreich/Italien/Schweiz (136 km)

• 03.–08.09. Dynafit Transalpine Run Garmisch-Partenkirchen (Teamevent: 290 km mit 17.320 Hm)

• 09.–10.09. Adidas Infinite Trails Bad Gastein/Salzburger Land (15 km, 45 km, 65 km)

• 01.–03.10. 360° Trail Tiroler Zugspitz Arena Ehrwald (Frauenevent: Aussteller, Testmaterial, geführte Touren)

*Text: Anderl Hartmann