Erste Hilfe

Notarzt erklärt: Darum ist Wiederbelebung wie Sex

Dieser Text kann Leben retten! Warum das so ist und weshalb Wiederbelebung wie Sex ist, erklärt Notarzt Christoph Schenk Männersache.

Notarzt erklärt: Darum ist Wiederbelebung wie Sex
Notarzt erklärt: Darum ist Wiederbelebung wie Sex Foto: iStock/gpointstudio
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Samstag 11 Uhr. Es piept. „Bewusstlose Person in Fussgängerzone vor H&M“. Unser kurzer Anfahrtsweg wird durch den weihnachtlichen Einkaufsverkehr verzögert. In der Stadt ist die Hölle los. Wir fahren mit Blaulicht und Martinshorn durch die Fussgängerzone. Fast kein Durchkommen. Der Rettungswagen ist nicht in Sicht, braucht noch länger als wir.

7 Minuten nach dem Alarm treffen wir vor dem Geschäft der großen Bekleidungskette ein. Eine Menschentraube von 15 bis 20 Personen ist davor versammelt. Mühselig bahnen wir uns den Weg durch die Weihnachtsshopper.

Erich* ist der Grund des Menschenauflaufes. Er liegt mitten im Zentrum des Interesses. Sein Kopf ist dunkelviolett angelaufen, fast schon schwarz. Der Brustkorb steht still, kein Atem geht, er rührt sich nicht. Und die Menschen schauen einfach nur zu! Keiner hilft ihm! Keiner versucht seinen Tod aufzuhalten! Wie gebannt sehen sie sich an, wie ein Mensch „live“ stirbt.

Jan und ich beginnen mit den einfachsten Wiederbelebungsmassnahmen: Herzdruckmassage und Beatmung mit dem Beutel. 4 Minuten später als der Rettungswagen da ist, versuchen wir noch zusätzlich das komplette Programm mit Adrenalinspritzen, Schlauch in Luftröhre, Maschinenbeatmung usw.

Nach 45 Minuten mit höchstem Einsatz brechen wir unseren Versuch Erich ins Leben zurückzuholen ab. Er ist gestorben. Mit nur 62 Jahren. Vor den Augen der weihnachtlichen Einkaufsbummler …

Nach diesem frustrierenden Einsatz stelle ich mir zwei Fragen: „Warum hat niemand Erich geholfen?“. Und: „Was kann ICH tun, damit demnächst jemand hilft?“

Ich glaube, diese Gründe halten Menschen davon ab Erste Hilfe zu leisten:

  1. Die Angst davor etwas verkehrt zu machen, womöglich dem Menschen, dem man helfen möchte, noch Schaden zuzufügen.
  2. Der Ekel vor Mund-zu-Mund- oder Mund-zu-Nase-Beatmung bei fremden Menschen.
  3. Die Angst sich vor anderen zu blamieren.

Verständliche Ursachen! Und dennoch: Ich möchte es schaffen, dass diesen Text 100.000 Menschen lesen. Dann wird er Leben retten. Davon bin ich überzeugt.

Vielleicht auch mal mein Leben? Dein Leben? Deshalb merk dir diese vier Punkte:

  1. Drück 100 mal pro Minute mit ausgestreckten Armen auf den Brustkorb!
  2. Wenn dich der Gedanke an Mund-zu-Mund- oder Mund-zu-Nase-Beatmung ekelt, dann lass das. Muss anfangs nicht unbedingt gemacht werden. Aber fange auf jedenfall an zu drücken!
  3. Mach keine Pause bis du abgelöst wirst.
  4. Du kannst nichts verkehrt machen. Ausser du machst nichts! Lieber schlechte Erste Hilfe, als gar keine!

Denn: „Wiederbelebung ist wie Sex. Lieber schlecht als gar nicht!“ (Rocco Rossi) 

Mehr Informationen gibt es auf der Seite des Deutschen Roten Kreuzes. Dort gibt es auch eine Erste-Hilfe-App zum Download.

Dr. med. Christoph Schenk, 51, ist Facharzt für Allgemein- und Unfallchirurgie, Arzt für Notfallmedizin. Er bloggt über seinen Beruf seit 2016, obwohl er - wie er selbst sagt - in Deutsch früher auf dem Zeugnis immer eine 4 hatte ;)

Dieser Text erschien zuerst auf seinem Blog "E1ns-E1ns-Null" .