Die gefährlichsten Lügen der Weltgeschichte

Echnaton-Mythos: Wie tötet man 1000 Götter?

Rufmord, Propaganda, Verleumdung: Immer wenn Mächtige ihre Ziele erreichen wollen, ist die Wahrheit das erste Opfer. Oft werden diese Lügenschnell enttarnt. Doch es gibt auch welche, die bleiben Jahrhunderte bestehen – und verändern den Lauf der Welt, so auch der Echnaton-Mythos.

Antike Götter Ägyptens
Antike Götter Ägyptens Foto: iStock / sArhange1
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Der Echnaton-Mythos

Ägypten im Jahre 1353 vor Christus: Die Fanatiker stürmen Tempel und schänden Gräber. Stelen stürzen, wertvolle Papyrusrollen brennen. Das Pharaonenreich erlebt einen Bildersturm von beispielloser Radikalität. Bis auf die Spitzen der Obelisken klettern die Königstreuen, um alles zu zerstören, was die alten Götter ehrt.

Sie folgen dem Aufruf des Pharaos Echnaton, der mit einem einzigen Satz ein tausendjähriges Gesellschaftsbild ablösen will: Es gibt nur noch einen Gott. Dieser Satz ist mehr als eine Lüge, er ist eine Revolution – denn er wirft eine Frage auf, die niemals gestellt werden darf:

Wie tötet man 1000 Götter?

Die Erfindung des Monotheismus, des Ein-Gott-Glaubens, klingt heute nicht sonderlich neu, doch vor fast 3500 Jahren kommt sie einer gewaltigen Katastrophe gleich. Von einem Tag auf den anderen werden Hunderte traditionelle Götter verbannt. Ihre Tempel werden geschlossen und die Priester entmachtet. Nur der Sonnengott Aton soll noch verehrt werden.

Doch ist tatsächlich nur der Glaube Echnatons die Triebfeder, um 1000 Götter zu verbannen? Oder handelt es sich um eine Lüge, um frei vom Einfluss der mächtigen Priesterkaste zu sein? Tatsächlich verurteilen Priester das Auftreten der Pharaonen in der Öffentlichkeit – diese ähneln immer mehr den steinernen Monumentalstatuen ihrer Vorgänger: majestätisch, aber auch kalt und unnahbar.

Die Geburt des Monotheismus

Echnaton und seine Ehefrau Nofretete durchbrechen die Regeln: Nie zuvor und niemals danach zeigt ein pharaonisches Ehepaar seine Liebe zueinander so offen. Es kommt zu tiefen Zerwürfnissen mit den Priestern, die ihre Macht schwinden sehen. Und so greift der Pharao zu drastischen Maßnahmen.

"Echnaton ist tatsächlich wohl der Erste gewesen, der versucht hat, einen weitgehend strengen Monotheismus zu verwirklichen", sagt der Ägyptologe Erik Hornung. Zum ersten Mal in der Geschichte macht eine Religionspolizei Jagd auf Andersgläubige, lässt Statuen und Bilder der alten Götter zerstören. 17 Jahre überdauert der neue Glaube – bis Echnaton stirbt.

Auf diesen Moment hat die alte Priesterschaft gewartet. Sie fegt in einem neuen Bildersturm den Aton-Kult hinweg. Echnatons Sohn besteigt den Thron – nicht ohne zuvor seinen Namen zu ändern: von Tutanchaton in Tutanchamun. Die Idee des Monotheismus – einmal in das Gedächtnis der Menschheit eingepflanzt – lebt aber weiter.