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Kommando Spezialkräfte (KSK) – Geheimer als die Navy Seals

Das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr gehört zu den besten Spezialeinheiten der Welt – und doch hat in Deutschland kaum ein Mensch je von den Elite-Kriegern gehört. Die Kollegen von Welt der Wunder begeben sich auf Spurensuche nach einer Truppe, die nicht ohne Grund als echte Geheimwaffe gilt.

Kommando Spezialkräfte
Kommando Spezialkräfte Foto: Getty Images
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Kommando Spezialkräfte: Einsätze

Februar 2016 im Irak. Seit den frühen Morgenstunden ist der Konvoi auf den staubigen Straßen südlich des vom Islamischen Staat (IS) besetzten Mossul unterwegs. In den Geländewagen sitzen 25 Kommandosoldaten aus verschiedenen NATO-Ländern.

Ihr Auftrag: Aufklärung hinter den feindlichen Linien. Zur Tarnung tragen die Männer Vollbärte und irakische Kleidung und verstecken ihre Waffen unter falschen Bodenblechen. Was die Elitesoldaten nicht wissen: Sie wurden längst verraten.

In einem kleinen Ort, 15 Kilometer südlich des Flughafens, schnappt die Falle zu. Rund 30 IS-Terroristen eröffnen mit Maschinengewehren und Granatwerfern das Feuer und verletzen drei britische Soldaten.

Um die Verwundeten bergen zu können, setzt sich ein achtköpfiger Kommandotrupp unbemerkt vom Konvoi ab, umgeht das feindliche Sperrfeuer – und zerstört mit einem Raketenangriff feindliche Stellungen. Kurz darauf sind alle Feinde tot.

Kommando Spezialkräfte (KSK): Geheimer geht es nicht

Verluste bei den eigenen Truppen gibt es keine. Doch obwohl die acht Kommandosoldaten mit ihrem Flankenangriff das Blatt gewendet haben, wird kaum ein Außenstehender davon erfahren. Denn sie gehören zum Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr – einer Einheit, die geheimer operiert als jede andere Spezialeinheit.

Um das zu verstehen, muss man ihre Geschichte kennen ...

Kommando Spezialkräfte: Ruanda

Ruanda, 13. April 1994 – Kurz nach Mitternacht schlagen die ersten Granaten auf dem Gelände des Rundfunksenders Deutsche Welle in Kigali ein. Seit einer Woche toben in Ruanda Unruhen – Hunderttausende Menschen sterben.

Mittendrin: elf Mitarbeiter der Deutschen Welle. Eine Evakuierung ist ihre einzige Chance zu überleben – doch ein Versuch von US-Marines scheitert.

Zwar gab es mit den Luftlandebrigaden 25 (Calw), 26 (Saarland) und 27 (Lippstadt) zwar Kommando-Einheiten, die auch für Geiselbefreiungen geschult waren, doch aufgrund politischer Bedenken wurden diese einsatzbereiten Kommando-Einheiten der 5/261 Lebach und der 5/252 Calw wieder in die Standorte verbracht.

Statt der Kommandos wurde das belgische Para-Kommando nach Kigali entsandt, welche die Geiseln schließlich befreiten.

Insgesamt sterben zehn Belgier bei der Aktion "Green Beam". Es ist der Moment, in dem man in Bonn beschließt, dass man die militärische Schmutzarbeit nicht länger den Verbündeten überlässt.

Mit Gründung der KSK wurden die oben genannten Kommandos aufgelöst und in die KSK überführt.

Kommando Spezialkräfte: Calw

Keine 24 Monate später ist es so weit: In der Graf-Zeppelin-Kaserne bei Calw wird die neue Speerspitze der Bundeswehr in Dienst gestellt. Offiziell soll das KSK zukünftig Geiseln im Ausland befreien.

Der Verband besteht aus Bundeswehr-Spezialisten: Fernspäher, Fallschirmspringer, Gebirgsjäger. Aber auch zivile Abhörexperten, Logistiker und Ingenieure werden in die 1400 Mann starke Truppe eingebunden.

Wichtigste Voraussetzung: Sie gehören in ihrem Fach zu den Besten der Besten – und können schweigen. Denn vom ersten Tag an ist alles an dieser Einheit streng geheim. Bis heute werden nur 14 Außenstehende, die Obmänner im Verteidigungsausschuss, über Details unterrichtet.

Dabei gibt es tatsächlich viele berechtigte Fragen zu dem, was die schärfste Kriegswaffe der Bundeswehr eigentlich genau tut. Denn, auch wenn es suggeriert wird: Geiseln scheint die Einheit nicht wirklich zu befreien...

Deutschlands geheimste Krieger 400 Seemeilen vor der Küste Somalias, April 2009 – Mit großem Tempo nähern sich schwer bewaffnete Piraten in Schnellbooten dem deutschen Frachter "Hansa Stavanger" und kapern das Schiff mit 24 Besatzungsmitgliedern.

Die Bundesregierung will das Schiff stürmen lassen – kann dies aber nicht, da die dafür notwendigen Hubschrauber nicht einsatzfähig sind.

Ein Skandal! Was dabei völlig untergeht: Vor Ort wartet wochenlang die GSG9 der Bundespolizei, um das Schiff zu stürmen – und nicht das offiziell genau für die Situation aufgestellte KSK. Warum musste also die GSG9 dort ausharren, wenn angeblich das KSK zuständig war?

"Zu unseren Aufträgen gehört die Spezialaufklärung und der Einsatz gegen hochwertige Ziele", erklärt der ehemalige KSK-Kommandeur Heinz Josef Feldmann.

Dazu gehöre das Agieren als ungekennzeichnete quasimilitärische Einheit hinter den feindlichen Linien sowie handstreichartige Überfallaktionen – eine Technik, die von US-amerikanischen Einheiten wie den Navy SEALs unter der Bezeichnung "direct action" bekannt ist.

Denn US-Kommando-Einheiten verstehen unter "direct action" das Auslöschen von militärischen und zivilen Schlüsselstellungen, die Liquidierung von Terroristen und die Koordinierung von Drohneneinsätzen – Maßnahmen also, die sich nicht mit dem Grundgesetz vereinbaren lassen.

Kann es also sein, dass die Bundeswehr im Zeitalter des Kriegs gegen den Terror mit dem KSK unter dem Deckmantel strengster Geheimhaltung ein Instrument geschaffen hat, das die von den NATO-Partnern lange geforderte Bündnisfähigkeit gewährleistet – ohne in Deutschland eine Debatte über die Kompetenzen der Bundeswehr als Verteidigungs- und Parlamentsarmee zu führen?

Schaut man genau hin, erkennt man schon am ersten offiziellen KSK-Einsatz das US-Vorbild.

Geheime Feuertaufe Foca, Bosnien und Herzegowina, Juni 1998. Der 61-jährige Milorad Krnojelac ist Mathematiklehrer – und Folterknecht. Während des Kriegs in Jugoslawien soll er fast 30 Menschen zu Tode gequält haben.

Als Krnojelac am Morgen des 15. Juni auf dem Weg zur Schule ist, wird er bereits erwartet: Mitten in der serbischen Hochburg überwältigt ihn eine verdeckt operierende KSK-Truppe, verschleppt ihn und fliegt ihn noch am selben Tag außer Landes – um ihn vor Gericht zu stellen.

Der Einsatz gilt unter Experten nicht nur als Feuertaufe für das KSK, sondern auch als die inoffizielle Rückkehr der Bundeswehr auf die sicherheitspolitische Weltbühne. Erst 2000 wird der Einsatz offiziell bestätigt.

Andere politisch heikle Einsätze des KSK, über die Informationen durchsickerten, sind bis heute unbestätigt – oder werden dementiert. So auch die eingangs erwähnte Heldentat der KSK-Soldaten in Mossul, für die man die "Deutschen" in britischen Medien (z. B. "Mirror") lobte.

Tatsächlich erscheinen immer wieder Berichte über KSK-Einsätze an Orten, an denen die geheimsten Bundeswehrkrieger offiziell gar nicht sein dürften – so im Kongo, in Syrien, im Irak, in der Ukraine oder in Mali.

Überprüfbar sind die Quellen infolge der deutschen Nachrichtensperre nicht. Fakt ist aber auch: Nicht nur Medien und Friedensaktivisten berichten über die Schatten-Einsätze der Deutschen, sondern auch offizielle Kanäle, zum Beispiel die niederländische Luftwaffe oder deutsche Gerichte.

Bleibt die Frage: Wieso ziert man sich in Deutschland, die Einsätze einer Einheit zuzugeben, auf die man in anderen westlichen Demokratien stolz wäre? Die Antwort ist kompliziert. Laut Grundgesetz dient die Bundeswehr nur der Landesverteidigung.

Dies würde aber bedeuten, dass eine Einheit, die innerhalb der NATO-Kommando-Strukturen kompatibel sein soll, in Einsätzen mit z. B. Liquidierungen nutzlos wäre. Um trotz der rechtlichen Grauzone bündnisfähig zu bleiben, nutzt man Schlupflöcher.

Beispiel: Laut Gesetz ist es den KSK-Soldaten nicht nur untersagt, Terroristen zu liquidieren, sondern auch, sie zu verhaften, wenn man sie danach an Länder übergibt, die die Todesstrafe verhängen, etwa an die USA.

Laut Bundesregierung gibt es deshalb nur wenige Verhaftungen durch das KSK in Afghanistan. Die Wahrheit ist aber, "dass wir immer Amerikaner dabeihatten, wenn Gefangene gemacht wurden", erklärt ein hochrangiger KSK-Soldat.

"So haben die eben die Verdächtigen festgenommen, und nicht wir." Eine andere mögliche Strategie, über die die Medien berichten, ist die des Outsourcings. Angeblich unterstellt die Bundeswehr KSK-Soldaten einer speziellen NATO-Leitstelle in Antakya (Türkei).

Die Kommandoeinheiten würden so nicht unter deutscher Flagge operieren – die Bundesregierung kann dementieren. Fest steht: Auch wenn jeder für sich entscheiden muss, was er von diesem 1400 Mann starken, hochspezialisierten und bestens ausgerüsteten Geiselbefreiungstrupp hält, der seit seiner Gründung keine Geisel befreit hat – muss man letztendlich festhalten:

Solange die deutsche Regierung nicht mit offenen Karten spielt, wie dies die Amerikaner oder Briten tun, wird man weiterhin spekulieren. Denn Genaues weiß man nicht. Und womöglich ist genau das die Absicht.

Auf der Suche nach dem perfekten Krieger Obwohl die Bewerber streng vorsortiert werden, überstehen nur rund zehn Prozent die anspruchsvolle Ausbildung.

Neben einer körperlichen Belastbarkeit, die – laut Ausbildern – der eines olympischen Zehnkämpfers entsprechen muss, sollte ein angehender KSK-Soldat auch überdurchschnittlich intelligent und in Extremsituationen beherrscht sein.

Anders gesagt: Das KSK sucht nicht nach "Rambos", sondern nach Taktikern. Frauen sind grundsätzlich zur Ausbildung zugelassen. Bislang hat aber keine Bewerberin die körperlichen Anforderungen erfüllt.