Interview

Mazda-Creative-Director Jo Stenuit: "Deutsche übertreiben es oft"

Jo Stenuit ist nun seit etwa vier Jahren Design Director bei Mazda. Wir haben ihn gefragt, was seine Arbeit beeinflusst, was reduziertes Design kann - und woher seine Faszination fürs Camping kommt.

Jo Stenuit
Jo Stenuit, Creative Director bei Mazda Foto: Bernd Schuster
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Jo Stenuit arbeitet seit zwanzig Jahren als Creative Director bei Mazda. Ein Beruf, bei dem Inspiration Bestand haben muss. Was ihm in seiner Arbeit wichtig ist, was reduziertes Design ausmacht und wie sich sein Interesse in den eigenen vier Wänden spiegelt - in Gespräch über kulturelle Unterschiede, Leidenschaften - und Design.

MNRS: Du hast bisher an verschiedenen Orten gelebt - wie hat das deine Rolle als Creative Director geprägt?

Jo Stenuit: Ich habe in Belgien, London, Japan und jetzt Deutschland gelebt. Design, auch wie es unterrichtet wird, ist immer abhängig von der Kultur. Europäer legen ihren Fokus darauf, die eigene Idee durchzusetzen und dafür zu kämpfen.

In Japan geht es mehr um das große Ganze, die Gruppenmentalität ist stärker. Ich habe jeden Tag etwas Neues von meinen japanischen Kollegen gelernt: wie zum Beispiel über kulturelle Mentalitäten und das meine Kultur anders, aber nicht besser ist. Egal, wo ich bislang gelebt habe, ich bin mir treu geblieben und habe mich nie verstellt. Das hat für mich bisher immer gut funktioniert.

Jo Stenuit
Jo Stenuit in seinem Haus nahe Frankfurt Foto: Bernd Schuster

Jo Stenuit, Design Director bei Mazda

Jo Stenuit ist Europa-Designchef von Mazda. Der Belgier studierte Produktdesign- und Fahrzeugdesign. Nach 20 Jahren in den verschiedenen Designabteilungen bei Mazda, wurde er 2018 zum Design Director ernannt.

MNRS: Was können deutsche Autobauer von anderen Nationen lernen, beispielsweise den Japanern?

Stenuit: Das Kunsthandwerk. Japaner geben immer 100 Prozent, sie sind Perfektionisten, halten die Lösung aber dennoch simpel. Deutsche übertreiben es oft, sie wollen zu viel.

MNRS: Du hast schon öfters von der "Kraft des reduzierten Designs" gesprochen - was bedeutet das in deiner Arbeit?

Stenuit: Wichtig ist uns, dass sich jede und jeder direkt beim Einstiegen ins Auto wohlfühlt, das Design auf Anhieb versteht und nicht überwältigt ist. Wir kreieren Räume, in denen sich alle wohlfühlen und runterkommen.

Das spiegelt sich auch in den Formen und Materialien, die wir verwenden, wider. Für uns bei Mazda soll ein Auto eine unkomplizierte Maschine sein, die jeder sofort versteht und bedienen kann.

MNRS: Was wäre designtechnisch die größte Sünde beim Ausbau der Mazda-Formensprache?

Stenuit: Der Versuch, trendy und modisch zu sein und viele Extras und „Bling Bling“ zu integrieren, und somit die eigene Philosophie zu verlieren.

Jo Stenuits Haus
Jo Stenuits Haus nahe Frankfurt Foto: Bernd Schuster
Jo Stenuits Haus
Jo Stenuits Haus nahe Frankfurt Foto: Bernd Schuster

MNRS: Was hat reduziertes Design mit Zen zu tun?

Stenuit: Einfaches, simples Design strahlt Ruhe aus. Es ist unaufgeregt, reduziert und ist nicht hektisch. Das kann man zum Beispiel in der Natur oder auch im dänischen und japanischen Design finden.

MNRS: Was ist dir persönlich bei der Einrichtung deiner vier Wände wichtig?

Stenuit: Ich sammle Designklassiker, vor allem aber meine Vasen. Sie wurden zwischen den 1950ern bis 1970ern in Westdeutschland zu Beginn der Industrialisierung der Keramikproduktion hergestellt. Mir ist dabei wichtig, dass es sich noch wie zu Hause anfühlt und nicht wie ein Museum. Es darf nicht vollgestellt sein. Ich brauche den Blick nach draußen.

MNRS: Wieso Vasen und - wie beginnt man eine Sammlung aufzubauen?

Stenuit: Ich habe sieben Jahre in Wiesbaden gelebt, dort haben wir unsere erste große Vase auf der Straße gefunden, so hat es angefangen. Erst fand man sie hässlich, irgendwann hat man Gefallen daran gefunden. Auf Flohmärkten kann man diese finden. Wir haben nun eine Sammlung von 500 Stück, aber nie die richtige für Blumen. Allerdings haben wir jetzt aufgehört, neue zu sammeln.

Vasen auf Regal
Stenuits Vasen-Sammlung Foto: Bernd Schuster

MNRS: Du hast in früheren Interviews von der Faszination fürs Camping gesprochen - woher kommt diese?

Stenuit: Vor vielen Jahren habe ich zusammen mit meiner Frau versucht, in einem alten Opel Corsa zu schlafen. Das war sehr ungemütlich. Dann kam uns die Idee mit dem Camper. Mit dem sind wir ungebunden, es bedarf keiner großen Planung, einfach einsteigen und los. Allem entfliehen, raus in die Natur. Die Ruhe genießen – ein Antidot vom Alltag.

MNRS: Welches neue Produkt würdest Du gerne designen, welches bestehende nach Deinem Gusto verändern?

Stenuit: Ich würde gerne ein Haus von Grund auf designen, eine Atmosphäre kreieren. Verändern würde ich gerne die Planung einer Stadt. Zu viele Autos bis auf Mazda (lacht) stören das Stadtbild und sorgen für Unruhe. Kopenhagen lebt es vor! Die Stadt ist auf Fußgänger und Fahrradfahrer ausgerichtet.

MNRS: Du arbeitest auch mit deinen Händen und tischlerst - was waren deine letzten Projekte?

Stenuit: Ich habe meinen Volkswagen T3 zum Wohnmobil umgebaut, außerdem habe ich eine Wohnung in Köln komplett renoviert. Aktuell bin ich dabei, unseren Keller in Frankfurt zu einer Werkstatt umzubauen, damit ich mich an neuen Dingen ausprobieren kann.

Es gibt sehr viele japanische YouTuber, die mit Vollholz arbeiten und verschiedene Dinge wie Kisten oder Truhen bauen. Daran möchte ich mich ausprobieren. Aber auch hier heißt es nicht, das Bauen an sich ist die Kunst, sondern die Vorbereitung.

MNRS: Gibt es Orte an denen du auf keinen Fall leben könntest - und solche an die du unbedingt nochmal hin willst?

Stenuit: In kann jederzeit in Japan oder in skandinavischen Städten wie Kopenhagen oder Stockholm leben – gerne eine Stadt mit Kultur, damit ich die Möglichkeit habe, etwas zu erleben, aber auch meine Ruhe und Natur um mich herumhaben kann. In Indien könnte ich mir nicht vorstellen zu leben. Ich war vor einiger Zeit vor Ort und war erschüttert aufgrund der extremen und sichtbaren Unterschiede zwischen Arm und Reich.

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