Interview

Die Formel 1 fest im Blick: Interview mit Deutschlands bester Rennfahrerin Sophia Flörsch

Sie ist seit jeher auf Geschwindigkeit fixiert und mittlerweile in den großen Formeln unterwegs. Am Rande des diesjährigen Le-Mans-Spektakels haben wir Sophia Flörsch getroffen.

Sophia Flörsch
Deutschlands beste Rennfahrerin: Sophia Flörsch Foto: Getty Images / Ker Robertson
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Auf Geschlechterrollen gibt sie nicht viel, sie möchte einfach möglichst schnell mit einem Rennwagen die Tracks dieser Welt umrunden. Dabei gegen die Big Boys fahren? Challenge accepted! Sophia Flörsch hat mit ihren erst 22 Jahren bereits eine Menge Erfahrung im Motorsport gesammelt, fährt momentan in der Formel 3 und saß auch bereits beim legendären Langstreckenrennen in Le Mans hinterm Steuer.

Genau dort, beim Jubiläumsrennen, der hundertsten Auflage des Klassikers, haben wir sie getroffen und über Motorsport, Geschlechterrollen und große Ziele gesprochen.

Männersache (MNRS): Hallo Sophia, schön Dich zu treffen. Wir können uns vorstellen, dass Du an einem Rennwochenende wie diesem ordentlich zu tun hast.

Sophia Flörsch (SOP): Ja, schon. Ich bin die letzten drei Jahre selber hier gefahren, von daher ist es etwas komisch, hier zu sein und nicht hinterm Steuer zu sitzen. Le Mans ist immer speziell und ich bin schon seit Mittwoch für Alpine vor Ort, weil wir hier verschiedene Aktivitäten hatten, auch rund um das neue Auto, das vorgestellt wurde [der Alpine A 110 R „Le Mans“, Anm. d. Red.] und gestern natürlich auch das Hypercar [Alpine A424_ß].

MNRS: Stichwort Alpine: Du bist jetzt in der Nachwuchsakademie. Was genau bedeutet das?

SOP: Ja, ich bin in der Alpine-Akademie seit Anfang des Jahres. Das bedeutet, dass ich vollen Support und Unterstützung bekomme. Wir haben die gleichen Ziele, was den Motorsport angeht, wo es hingehen soll für uns zusammen. Ich habe auf der einen Seite Trainer, die mich beraten und unterstützen, genauso wie Ingenieure. Ich fahre ja jetzt auch wieder Formel 3, wir haben da sehr viele Erfahrungen durch die Formel 1, aber auch durch andere Nachwuchspiloten, die einfach schon in der Formel 3 oder Formel 2 gefahren sind in den letzten Jahren. Auf der anderen Seite lerne ich auch sehr viel, werde dadurch die nächsten Monate und Jahre - das ist ja auch einfach ein längeres Projekt - ein besserer Rennfahrer und meine Ausbildung wird dahingehend unterstützt. Dementsprechend war dies auch ein sehr wichtiger und großer Schritt für mich.

MNRS: Was bedeutet eigentlich Formel 3? Wenn sich Esteban Ocon oder Pierre Gasly (die beiden Formel-1-Fahrer von Alpine) den Magen verderben und nicht starten können, stündest Du dann bereit, um ins Cockpit zu hüpfen?

SOP: (lacht) Nein, das ist nicht so. Ich fahre im Moment noch Formel 3, der nächste Schritt wäre dann definitiv die Formel 2 und normalerweise rechnest Du Minimum zwei Jahre in den einzelnen Nachwuchsserien, also ein Renneinsatz ist noch nicht in Sicht.

Alpine A110 R Le Mans
Wurde im Vorfeld des Jubiläumsrennens vorgestellt: der Alpine A110 R "Le Mans" Foto: Männersache

MNRS: Okay, also Du bist noch nicht die logische Ersatzfahrerin …

SOP: Nein, das ist im Moment Jack Dohan, ein Formel-2-Fahrer im zweiten Jahr.

MNRS: Man muss definitiv erstmal zwei oder drei Jahre in einer Formel gefahren sein, bevor man aufsteigt?

SOP: Genau. Normalerweise verbringst Du in jeder Formel-Nachwuchsserie zwei bis drei Jahre. Es sei denn, Du gewinnst sie gleich im ersten Jahr.

MNRS: Passiert das häufig? Es gibt ja Wunderkinder, die überspringen zum Beispiel in der Schule gleich mal eine Klasse …

SOP: Ja, bei uns heißt es aber eher zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

MNRS: Völlig klar, da hinkt der Vergleich. Jetzt eine Frage, die wir Dir nicht ersparen können. Du willst ja definitiv in die Formel 1, das ist kein Geheimnis. Welches Team könntest Du dir diesbezüglich vorstellen, wenn es bei Alpine möglicherweise nicht klappen sollte?

SOP: Ganz ehrlich? Die Gedanken mache ich mir überhaupt nicht. Ich bin jetzt seit Anfang des Jahres mit Alpine verbunden, habe da volle Unterstützung. Wie gesagt, da sind noch viele Schritte dazwischen, die wir noch gehen müssen und auch gehen werden und dann schauen wir, ob es für die Formel 1 reicht. Aber ja, das ist mein Ziel, seitdem ich klein bin und es ist auch seitens Alpine das Ziel, mich da komplett zu unterstützen und dann zu schauen, ob es reicht. Gedanken über andere Teams oder Hersteller mache ich mir dementsprechend nicht.

MNRS: Denkst Du, es ist mittlerweile normal, dass Formel-1-Teams sagen: Wenn eine Person schnell genug ist und alle Fähigkeiten mitbringt, spielt das Geschlecht keine Rolle?

SOP: Also, als Allererstes musst du natürlich performen und es kommt auf den Sport und das Talent an und vor allem auf die Ergebnisse, die du in den Jahren davor eingefahren hast. Genauso ist es aber auch ein Marketing-Ding, es muss einfach passen. Es sind immer wieder unterschiedliche Charaktere in der Formel 1 gefragt. Ich glaube, es muss einfach das Gesamtpaket passen unterm Strich. Aber an allererster Stelle ist es Sport und die Ergebnisse müssen einfach da sein. Und ich glaube, das hat dann gar nichts mit Frau oder Mann zu tun. Es gab einfach seit vielen, vielen Jahren keine erfolgreiche Frau mehr.

MNRS: Aber dass Du schnell bist, hast Du ja bereits hinlänglich bewiesen ...

SOP: ... ich hoffe es (lacht). Ich betreibe den Sport ja jetzt auch schon ein bisschen, habe schon vieles fahren und dazulernen dürfen. Das war schon immer mein Leben. Ich habe noch nicht ausgeträumt und ich bin noch nicht am Ziel.

MNRS: Mit gerade einmal 22 Jahren sollte man auch noch nicht ausgeträumt haben ...

SOP: (lacht) ... korrekt.

MNRS: Kleiner Wechsel hin zu einem Thema, dass man vielleicht von einem Magazin, das "Männersache" heißt, nicht unbedingt erwarten würde. Stichwort: Empowerment. Spielt es nicht vielleicht doch eine Rolle in den Formeln, wenn da ein Teamchef sitzt uns sagt "Eine Frau als Fahrer?"

SOP: Ich glaube, das hat gar nicht speziell etwas mit Motorsport zu tun. Gerade gibt es ja in jeder Branche einen leichten Umschwung. Natürlich kann es sein, dass es hier und da Personen gibt - nicht einmal unbedingt nur Männer -, die nicht davon überzeugt sind, dass Frauen auch gewisse Leistungen erbringen können. Das ist bei uns im Motorsport genauso. Es gibt da natürlich auch noch Gegensprecher, die nicht der Meinung sind, dass es möglich ist, egal, ob sich das auf Attribute wie Mut oder physische Kraft bezieht. Aber ich glaube, genau das gilt es zu beweisen, dass es möglich ist. Und spätestens, wenn es dann eine erfolgreiche Frau gibt, egal, ob ich das jetzt bin oder jemand in 20 Jahren, dann werden diese Stimmen auch aufhören.

MNRS: Hoffen wir mal, dass es nicht nochmal 20 Jahre dauert ...

SOP: Das hoffe ich auch nicht.

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Video: Männersache

MNRS: Es gibt da ja auch eine eigene Frauen-Formel ...

SOP: Ja, gibt es. Die "F1 Academy". Die fahren mit Formel-4-Autos, beziehungsweise Autos, die noch etwas langsamer sind als Formel-4-Autos.

MNRS: Was hältst Du davon?

SOP: Ich fahre gegen Männer und bin da happy mit, ich persönlich habe schon immer gesagt, das Besondere an dem Sport ist, dass es keine Geschlechtertrennung gibt, sondern dass wir körperlich gegen Männer fahren können und Männer gegen uns. Deswegen bin ich happy dort, wo ich bin und versuche mich da durchzukämpfen.

MNRS: Könnte man vielleicht sogar sagen, eine Frauen-Formel ist wie eine Frauen-Quote und dann gibt es da Frauen, die nur wegen der Quote da sind, und Du sagst zum Beispiel "Moment mal, ich habe mich hier aber durchgekämpft."

SOP: Also ich kann mich natürlich nicht in die anderen Frauen hineinversetzen. Ich glaube schon, dass das ein ganz gutes Sprungbrett ist oder ein Marketing-Ding für Mädels, die aus dem Kartsport kommen, da einzusteigen, aber ich habe noch nie wirklich viel von Quoten-Frauen gehalten. Ich bin hier, weil ich Sport machen will und das so gut es geht. Die sportliche Performance ist immer das wichtigste. Die muss stimmen, egal, ob Mann oder Frau.

MNRS: Eine letzte Frage. Männersache drückt Dir die Daumen, dass es klappt mit dem Formel-1-Cockpit. Aber wenn es dann doch nicht funktionieren sollte, hast Du einen Plan B?

SOP: Ich glaube, der Motorsport ist sehr breit. Es gibt die Formel 1, aber es gibt natürlich auch Langstrecke, wo ich die letzten drei Jahre unterwegs war. Hier in Le Mans bin ich sicherlich auch irgendwann wieder dabei. Formel 1 ist das große Ziel, aber es gibt auch viele andere Serien, die man dann auch bestreiten und auf sehr hohem Niveau unterwegs sein kann. Le Mans ist mit das größte Rennen, das es weltweit gibt. Mal schauen, ich bin ja auch erst 22 und werde versuchen, den Formel-Weg weiterzugehen und dann müssen wir halt sehen, was für mich und meine Karriere zusammen mit Alpine den meisten Sinn ergibt.

MNRS: Ein perfektes Schlusswort. Sophia, vielen Dank für das Interview.

Sophia Flörsch - Foto: Getty Images / Joe Portlock

Das ist Sophia Flörsch

Sophia Flörsch wird am 1. Dezember 2000 in München geboren. Bereits mit vier Jahren fängt sie im Kartsport an, dem sie zehn Jahre treu bleibt.

2016 wechselt sie sie in die Formel 4. Dort ist sie die erste Frau, die Punkte in der deutschen Formel-4-Meisterschaft erzielt, steht als erste Frau in der ersten Startreihe und ist auch die erste Frau, die eine Führungsrunde fährt.

2020 wird sie mit dem Laureus World Sports Award als Comeback des Jahres ausgezeichnet.

2021 nimmt Flörsch mit einem  Audi R8 LMS GT3 an der DTM-Meisterschaft teil. Außerdem fährt sie in diesem Jahr das  24-Stunden-Rennen von Le Mans.

2023 fährt sie in der FIA-Formel-3-Meisterschaft mit und ist seit Anfang des Jahres Teil der Nachwuchsakademie von Alpine (Renault).