Technik-Update

Die 7 Geheimnisse eines Schiffscontainers

38 Millionen Container stapeln sich derzeit auf unserem Planeten, die Hälfte davon sind gerade irgendwohin unterwegs. Fast alles, was wir in den Händen halten, war irgendwann in einer der bunten Kisten – die es ohne das US-Militär vielleicht nie gegeben hätte …

Schiffscontainer
Schiffscontainer Foto: iStock / serts
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Es gibt 38 Millionen Schiffscontainer

Genau 2,44 Meter breit und 2,59 Meter hoch ist die Säule des Welthandels, in Variante A (20 Fuß) 6,06 Meter lang, Variante B (40 Fuß) kommt auf das Doppelte. Seit mehr als 40 Jahren hat sich an diesen Maßen nichts mehr geändert.

Mit 38 Millionen im Dienst befindlichen Exemplaren ist es eines der am häufigsten kopierten Industrieprodukte unserer Zeit. Die Kiste für alles, die sich sogar ein eigenes Transportmittel erschaffen hat: das Containerschiff, von denen die großen pro Jahr im Schnitt drei Viertel der Strecke Erde – Mond und zurück hinter sich bringen.

Umgerechnet auf den einzelnen Container, lässt sich diese Strecke nicht umweltfreundlicher zurücklegen als per Schiff – tatsächlich setzt der Transport auf der Straße vom Hamburger Hafen nach Stuttgart mehr Treibhausgase frei, als der von Shanghai nach Hamburg.

Schiffe als Ganzes betrachtet sind jedoch Dreckschleudern: Allein die fünfzehn größten der Welt stoßen pro Jahr so viele Schadstoffe aus wie 750 Millionen Autos. Sogenannte "Elefantenrennen", also lang anhaltende Überholmanöver wie bei Lkw auf der Autobahn, gibt es auf See übrigens eher nicht.

Große Containerschiffe fahren wie auf eine Perlenschnur gereiht alle gleich schnell, sonst würden sie sich gegenseitig den Platz in Kanälen oder Häfen blockieren – und Liegezeit ist teuer.

Schiffscontainer-Lagerung ist höhere Mathematik

Fast 400 Meter misst die "OOCL Hong Kong", das größte Containerschiff der Erde, in der Länge. Theoretisch passen 21 413 20-Fuß-Container darauf, die zusammen Platz für mehr als 100 Millionen Paar Schuhe hätten.

Aber wie packt man Zwanzigtausend Riesen-Bausteine an Bord? Gefährliche Güter dürfen nicht beieinander stehen. Was zuerst wieder entladen wird, sollte nicht nach unten. Übergroße Sondercontainer müssen ganz nach oben.

Auf den untersten der zwischen 2,3 (leer) und 32 Tonnen schweren Container dürfen nicht mehr als 192 Tonnen lasten. Kühlcontainer brauchen einen Stromanschluss. 20-Fuß-Container können nicht auf einen 40-Fuß-Container, umgekehrt geht das aber.

Jede Ladebucht und das Schiff insgesamt müssen gleichmäßig belastet sein, für einen tiefen Schwerpunkt gehört das Schwere nach unten – es gibt tatsächlich Dutzende Regeln für das Beladen eines Schiffs.

Daher erledigen komplexe Algorithmen diese Aufgabe. Menschen bräuchten Tage, um einen sogenannten Stauplan zu optimieren.

Jede Stunde fällt ein Schiffscontainer ins Wasser

Zwischen 2000 und 10 000 Container kippen bei schwerer See pro Jahr ins Meer und gehen verloren, das macht im Schnitt also etwa einen pro Stunde. Der Grund: Nur die untersten sechs Ebenen sind auf Schiffen üblicherweise mit Metallstangen an Deck festgezurrt.

Der Rest wird einfach wie Bauklötze darauf gestapelt. Den Turm trotzdem stabil machen sogenannte Twistlocks: vollautomatische Schlösser an allen vier Stellecken, deren Einrastmechanismus ein Kran beim Be- und Entladen durch entsprechenden Kraftaufwand überwindet – oder auch ein Sturm mit hohem Wellengang.

Durch das höhere Risiko sind Rand-Stellplätze weit oben billiger als unten. Und: Container treiben manchmal noch Monate nach dem Verlust fast unsichtbar nahe der Meeresoberfläche – gerade kleineren, weniger stabilen Booten droht beim Zusammenstoß der Untergang.

Der Schiffscontainer als Erfindung des US-Militärs

Noch in den 1950er-Jahren gleicht ein Frachtstück im Schnitt einem 25-Kilo-Koffer. Das Herumhieven, Neuverpacken, Zwischenlagern und Verstauen zwischen Lkw, Zug und Schiff ist nicht nur teuer, fehleranfällig und langwierig, sondern auch gefährlich.

In einem großen Hafen wie dem von New York gibt es täglich etwa ein Dutzend Schwerverletzte und Tote. Frustriert vom komplizierten Umschlagprozedere erfindet der Spediteur Malcom McLean angepasst an die Größe US-amerikanischer Straßen eine 8 x 8 x 35 Fuß große Kiste, in der die Waren vom Hersteller bis zum Empfänger verbleiben.

Im Jahr 1957 gehen die ersten 60 Einheiten in einem umgebauten Tanker von Newark nach Houston auf die Reise. Doch anfangs glaubt niemand an dieses revolutionäre Konzept. Erst als McLean 1960 den vielleicht mächtigsten Kunden der Welt davon überzeugen kann, wendet sich das Blatt.

Das US-Militär lässt sich von ihm die Ausrüstung seiner Truppen im Vietnamkrieg transportieren, teilweise stammt fast die Hälfte des Umsatzes seines Logistikunternehmens aus diesem Transportdienst. Bis heute sind Container acht Fuß (2,44 Meter) breit.

Schiffscontainer-Transport kostet fast gar nichts

Die Dominanz ist beeindruckend: 98 von 100 Stückwaren (also alles, was nicht geschüttet oder gepumpt werden kann) erreichen Deutschland im Container. Aus gutem Grund: Der Transport kostet nichts – beziehungsweise so wenig, dass ihn Ökonomen aus Einfachheitsgründen bei der Kalkulation meist vernachlässigen.

Beispiel: Die Verfrachtung von 10 000 Jeans in einem Container von China nach Deutschland kommt je nach Auslastung der Schiffe auf etwas zwischen 3000 und 1000 US-Dollar, der Anteil der interkontinentalen Reisekosten pro Jeans liegt also nur bei zehn bis 30 Cent. Zum Vergleich: Im Vorcontainerzeitalter waren die Transportkosten etwa 75 Mal höher.

Illegale Waren kommen per Schiffscontainer

Alle 3,5 Sekunden erreicht Hamburg ein neuer Container, nicht immer nur gefüllt mit Baumaschinen oder Spielzeug. Vor allem ein Großteil des in Europa verbrauchten Kokains gelangt über Container zum Kunden. Im vergangenen Jahr stießen Hamburger Zollfahnder mit einem Mal auf fast vier Tonnen Kokain im Wert von 800 Millionen Euro, ein Ausnahmefall.

Beliebtestes Importverfahren: Ein Mittelsmann verstaut die Ware hinter der Tür eines bereits abgefertigten Containers, am Ziel muss ein Komplize die Pakete bergen ("Rip off"-Methode).

Die entsprechenden Siegel an den Containern lassen sich fälschen. Die Schmuggler setzen ganz einfach darauf, dass der Großteil der Warenlieferungen in den Millionen Containern verschwindet – nicht ganz zu Unrecht.

Nur etwa zwei Prozent aller Container werden kontrolliert. Läge die Quote bei 100 Prozent, bräuchte man wahre Armeen an Zöllnern, der Welthandel käme zum Erliegen.

Schiffscontainer werden oft recycelt

Etwa 20 Jahre hält der korrosionsbeständige Cortenstahl von Containern mindestens – der gleiche, aus dem Brücken oder Hochhäuser bestehen. Und dann?

Viele der neu etwa 2000 US-Dollar teuren Kisten erleben eine Wiedergeburt, etwa als Swimming Pool, als transportable Notfall-Klinik oder als mobile Unterkunft: Ein Stadtteil von Pueblo in Mexiko ist sogar ganz aus den bunten Stahlkartons erbaut.