Literatur

    Buchempfehlungen: DAS liest die MNRS-Redaktion!

    Von dem "Besten Roman des Jahres" über "Kitchen" bis hin zur Kolumnen-Sammlung. Das sind die Buch-Empfehlungen der Redaktion.

    Mann liest Buch draußen
    Diese Bücher liest die Redaktion (Themenbild) Foto: iStock/last19
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    Buchempfehlungen der Männersache-Redaktion

    Für alle, die auf der Suche nach guten Büchern sind: Hier trägt die Männersache-Redaktion regelmäßig ihre aktuellen Buch-Empfehlungen zusammen.

    "Das sieht aber gar nicht gut aus" von Werner Bartens

    Der Untertitel zu diesem Kompendium des medizinischen Schreckens lautet: "Was wir von Ärzten nie wieder hören wollen." Und das ist allerdings Programm! Denn der Aufhänger dieses Berichtes von der alltäglichen Arztpraxis-Front ist weniger antiseptisch, als jetzt befürchtet werden könnte.

    Tatsächlich biegt sich der Leser bereits nach wenigen Seiten vor Lachen, bevor es ihm dann doch im Hals steckenzubleiben droht, weil man die just beschriebene Szene doch auch irgendwie zu kennen scheint.

    Und dieser Erzählkniff macht die Lektüre zu einem echten Lesevergnügen: Neben dem eigentlichen Fließtext, einer Art Bestandsaufnahme des prä-lauterbach'schen und coronafreien, aber dennoch aktuellen Zustands der bundesdeutschen medizinischen Versorgung, gibt es am Rand fast jeder der 160 Seiten ein rhetorisches Schmankerl.

    Geschildert wird der totale Kommunikationszusammenbruch zwischen uns und den uns behandelnden Ärzten. Was zunächst gefährlich klingt, entpuppt sich beim Lesen zumeist als ein Sturm im Wasserglas, und genau darin liegt der Witz. Beispiel gefällig?

    Der Arzt sagt: Da ist etwas Auffälliges im Röntgenbild

    Der Patient versteht: Er hat einen Krebsherd gefunden

    Der Arzt meint: Wahrscheinlich überlagern sich zwei Blutgefäße

    Wir sehen: Wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Aber wissen die Ärzte eigentlich, was sie uns mit solchen Sätzen trotzdem antun? Das gesamte Buch ist ein Plädoyer zur besseren Verständigung zwischen Arzt und Patient. Dazu gehören natürlich beide Seiten.

    Und wenn es stimmt, dass Humor gut für Körper und Seele ist, dann kann dieses Buch auch als rezeptfreies Medikament verstanden werden, denn die Beispiele sind einfach köstlich. Noch eins?

    Der Arzt sagt: Bei dem Eingriff kann es zu Infektionen oder Blutungen kommen.

    Der Patient versteht: Infektion, Blutung

    Der Arzt meint: Harmlose Routineuntersuchung, aber ich muss halt aufklären.

    Und so geht das weiter, Seite um Seite. Fazit: Dieses Buch ist für all diejenigen, die auch mal über Sachen lachen wollen, die selten dazu Anlass geben, die schonmal die Erleichterung nach einer überdramatischen Selbstdiagnose und deren Falsifizierung verspürt haben und diejenigen, die ihrem Haus- oder Klinikumsarzt vielleicht zu Weihnachten ein Geschenk machen wollen, möglicherweise auch mit Hintergedanken, was die Kommunikations(un)fähigkeit dieser Person anbelangt. Ein Beispiel noch, zum Abschluss:

    Der Arzt sagt: Oh, der Kopf ist ein bisschen groß.

    Der Patient versteht: Wasserkopf, geistige Behinderung ein Leben lang – dabei haben wir uns so sehr über die Schwangerschaft und auf das Kind gefreut.

    Der Arzt meint: Ich muss den Schallkopf anders einstellen oder in einem anderen Winkel halten.

    Von Michael.

    "Schande" von J.M. Coetzee

    Der südafrikanische Literaturprofessor David Lurie mäandriert mehr schlecht als recht durch sein Leben. Der Mitt-Fünfziger stürzt sich in sexuelle Abenteuer ohne Happy End, und auch sein Job an der Universität bereitet ihm nur wenig Freude. Nachdem er eine Affäre mit einer Studentin anfängt, bezichtigt ihn diese alsbald öffentlich der sexuellen Belästigung. Ein Skandal mit Folgen, denn obwohl ihm vonseiten der Universität Brücken gebaut werden, seinen Job behalten zu können, gibt sich Lurie kompromisslos – und ergibt sich seinem Schicksal.

    Desillusioniert reist er nach der Suspendierung in die Provinz östlich von Kapstadt, wo seine Tochter Lucy eine Farm betreibt. Vater und Tochter arrangieren sich in ungewohnter Konstellation so gut es geht, doch dann passiert ein abscheuliches Verbrechen. Die Frage nach der Aufarbeitung der Ereignisse wird zur existenziellen Belastungsprobe und zeigt ein Land, welches das schwere Erbe der Apartheit wie ein Damoklesschwert mit sich trägt.

    Coetzee entwirft das Bild einer verrohten Gesellschaft im Südafrika der Postapartheit-Zeit inklusive unausweichlicher Fragen, sowohl für die Bürger als auch für das Land. Hass und Rache im gnadenlosen Abgleich mit den Realitäten - ein Buch das lange nachwirkt.

    "Schande" wurde 1999 mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichnet. Coetzee erhielt 2003 den Literaturnobelpreis.

    Von Timo.

    "Kitchen" von Banana Yoshimoto

    Kitchen ist der Debütroman von Banana Yoshimoto und gleichzeitig das Buch, mit dem ich die japanische Schriftstellerin kennenlernen durfte.

    Es handelt von Mikage, die ihre Großmutter verliert und alleine in der auf einmal so groß scheinenden Wohnung zurückbleibt. Lediglich in der Küche findet sie Ruhe. Dann trifft sie Yiuchi wieder - und er schlägt ihr vor, mit ihm zu seiner Mutter zu ziehen.

    Kitchen empfehle ich allen, die bereit sind, sich auf etwas anderes einzulassen - und sich davon lösen können, dass alles logisch, nachvollziehbar und realitätsnah sein muss. Wenn man das, was man liest, einfach hin- und damit auch annimmt, schätzt man die Welt von Yoshimoto, in welcher nicht die Ausflüchte, sondern der Alltag selbst zentral bleiben darf.

    Wer sich darauf einlässt, wird mit einer tröstlichen Erzählung belohnt, an die man noch lange zurückdenken will.

    Von Angelika.

    "Der beste Roman des Jahres" von Edward St. Aubyn

    Moment, war das jetzt schon das Fazit? Nein, gemach, wir sind erst beim Titel. Ja, das Buch heißt tatsächlich so. Der hervorragende, analytisch-messerscharfe, ätzend-sarkastische und trotz seines französisch anmutenden Namens durch und durch englische Autor Edward St. Aubyn hat einen Roman mit dem Titel "Der beste Roman des Jahres" geschrieben.

    Bekannt ist St. Aubyn vor allem durch seine ursprüngliche Melrose-Trilogie, die sich abschließend zu einer Pentalogie ausgewachsen hat und den Titelhelden Patrick Melrose durch sein verpfuschtes Leben begleitet, das trotz oder vielleicht auch wegen der Abstammung aus einem alten englischen Hochadels-Geschlecht die reine Hölle ist. Kurzzusammenfassung gefällig?

    Im ersten Band wird er als Kind von seinem eigenen Vater sexuell missbraucht, ist dann im zweiten Band als Jungerwachsener fast zwangsläufig drogenabhängig, gründet aber im weiteren Verlauf der Handlung dennoch eine eigene Familie, wo natürlich auch alles schiefläuft. Ein echtes Pandämonium, ohne Schonung seziert von einem Autor, dessen brillante Rhetorik durch die Zeilen schneidet wie ein Skalpell durch Fleisch.

    Aber eigentlich sollte es ja gar nicht um diese Figur gehen, die wohl fatalerweise Einiges mit ihrem Autor gemeinsam hat. St. Aubyns Stärke aus den fünf Melrose-Büchern kommt auch in „Der beste Roman des Jahres“ voll zum Einsatz. Es ist seine überlegene Art, eine Geschichte zu erzählen, die Menschen dabei in den Mittelpunkt zu stellen und sie alle, wirklich alle, schlecht dabei aussehen zu lassen. Das bedeutet auch, dass jede Figur ihr Fett abbekommt, niemand ist unschuldig, keiner kommt davon.

    Wieviel falscher Glanz rund um die Verleihung eines Buchpreises, zumal wenn es der wichtigste des ganzen Landes ist, zutage treten kann, schildert St. Aubyn meisterhaft und trotz der ganzen ausgebreiteten menschlichen Schwächen wie Neid, Missgunst, Profilierungssucht, Anmaßung, Rassismus, Dünkel, Fatalismus, intellektuelle Trockenfurzigkeit, Gier und Boshaftigkeit ist sein Roman vielleicht – nomen est omen – wie sein Titel bereits in sarkastischer Brechung besagt tatsächlich der beste des Jahres. Denn man kann auch mal Schmunzeln über die Eigenarten all dieser skurrilen Charaktere.

    Über den naiven Debütanten Sam Black, die gar nicht naive femme fatale Katherine Burns, die gleich mehrere Männer benötigt, um ihre innere Leere auszufüllen, das bis zur Unerträglichkeit arrogante, von sich selbst überzeugte indische Arschloch Sonny, dessen Machwerk von einem Buch natürlich nur gewinnen kann, oder über seine Tante, die eigentlich gar keinen Roman, sondern ein Kochbuch geschrieben hat, aber irgendwie dennoch auf der Shortlist gelandet ist.

    Und das waren nur die Kandidaten. Selbstverständlich gibt es da auch noch eine Jury, die nicht minder heterogen besetzt ist und sich gegenseitig nicht den Dreck unter den Fingernägeln gönnt. Am Ende schlägt das Schicksal zu und es kommt zu einer Entscheidung, mit der man eigentlich nicht rechnen konnte. Oder doch?

    Es ist herrlich mitzuverfolgen, wie St. Aubyn all seine Charaktere aufeinander loslässt und dabei, wie gesagt, niemanden schont. Das Buch ist natürlich Fiktion, aber es gehört nicht viel Fantasie dazu, um zu erahnen, dass der Autor seine Feldstudien mit beiden Händen aus dem allgemeinen Jahrmarkt der Eitelkeit abschöpfen konnte. So sind wir Menschen offensichtlich.

    Und doch kann jeder Leser sich einbilden, dass dort nur über andere, seltsam verschrobene Charaktere geschrieben wird, man selber steht über derartiger Kleingeistigkeit, auch wenn sie sich, wie in diesem Fall, hinter der Hochkultur versteckt. Das ist zwar ein Trugschluss, aber St. Aubyn lässt uns dennoch davonkommen, ist nicht so boshaft, die ganze Welt in Bausch und Bogen, sogar jenseits der beiden Buchdeckel, zu verdammen.

    Für den Leser bleibt dadurch ein köstlicher Happen Literatur. Mit Anspruch, aber massenkompatibel – man muss definitiv kein sogenannter Intellektueller sein, um folgen zu können. Edward St. Aubyn hat den Sarkasmus eines Ambrose Bierce, gemischt mit dem Witz Mark Twains, die schockierende Offenheit französischer Existenzialisten ("zum Leben verdammt", wie Sartre sagen würde) und vielleicht auch eine kleine Prise kafkaesker Verzweiflung.

    Wer sich von dieser hochtrabend klingenden Melange abschrecken lässt, dem entgeht ein wirklich gelungenes Buch, eine tolle Studie über menschliche Befindlichkeiten und auch einfach ein klasse Schmöker.

    "Der beste Roman des Jahres" ist wahrscheinlich genau das: der beste Roman des Jahres.

    Hier erfahrt ihr mehr über Michael.

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    "Auf ein Frühstücksei mit" von Moritz von Uslar

    In der "Zeit"-Kolumne "Auf ein Frühstücksei mit" trifft Autor und Journalist Moritz von Uslar die verschiedensten Persönlichkeiten - nun ja - auf ein Frühstücksei. In einem kleinen, grauen Büchlein sind diese nun gesammelt gedruckt worden.

    Die Art, mit denen er seinen Morgen mit Jan Böhmermann, Ullrich Matthes, Ronja von Rönne oder Joko Winterscheidt beschreibt, ist immerzu konkret und beobachtend bis pointierte und auch immerzu werden direkte Fragen gestellt werden, welche die intime Gesprächssituation offenlegen.

    Dabei heraus kommen vor allem unterhaltende Texte, die nicht nur von Uslar-Fans, sondern auch von allen geschätzt werden, die sich mit den kurzen Erzählstücken dem Lesen wieder nähern können.

    Von Angelika.

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