FREEMEN'S WORLD x Männersache

Flinke Füße mit Hang zu Strukturen

Alex Mizurov ist der erfolgreichste Contest-Skateboarder Deutschlands. In FREEMEN'S WORLD spricht er über die Jungfernfahrt des Skateboardens auf olympischer See, das Mitwirken im Team Toyota und den detailverliebten Hang zum Perfektionismus bei seinen Tricks.

Alex Mizurov auf einem Skateboard vor einem Toyota-Wagen
Alex Mizurov, der erfolgreichste Content-Skateboarder Deutschlands Foto: Artur Derr ; Team Toyota
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FREEMEN'S WORLD: Moin Alex. Du verdienst dein Geld mit Skateboardfahren. Klingt irgendwie verrückt.

Alex Mizurov: (lacht) "Ist aber so."

FREEMEN'S WORLD: Als ich noch aktiv auf dem Board gestanden habe wollte ich hauptsächlich Mädchen beeindrucken.

Alex Mizurov: "Kenne ich irgendwoher. Klingt nach einer starken und ich denke recht häufigen Motivation, um auf das Skateboard zu steigen."

FREEMEN'S WORLD: Das war damals in den 90ern, da war Thunderdome-Techno und Eurodance noch angesagt und Skaten galt als recht rebellische Sportart. Junge Leute, die mit ihren Brettern immer da fahren, wo sie eigentlich nicht fahren dürfen, und am besten noch direkt übers Verbotsschild drüber gebügelt sind. Wie lief das bei dir damals in deinen Anfängen, und wie sieht es heute aus?

Alex Mizurov: "In der Gegend, in der ich groß geworden bin, in Baden-Baden, einem kleinen Ort namens Rastatt, hatten wir keinen Skatepark. Daher haben wir uns immer an der Schule getroffen. Da gab es glücklicherweise einen guten Boden und ein paar Stufen. Dort konnten wir uns austoben. Bis die Stadt uns dann einen Skatepark gebaut hat. Das war der Hammer damals. Heutzutage hat ja quasi jeder Ort eine eigene Skateanlage. Da sind die Bedingungen schon besser als früher. Daher ist die junge Generation etwas weniger auf den Straßen unterwegs, als wir es damals waren, aber nichtsdestotrotz ist die Straßenkultur noch da."

FREEMEN'S WORLD: Und wie und wann hat dich diese Kultur so gepackt, dass du gesagt hast, ich will Profiskater werden?

Alex Mizurov: "Ich hol' mal etwas aus, um das zu beantworten. Geboren bin ich in Kasachstan und mit sieben Jahren sind wir dann nach Deutschland ausgewandert. Zuerst hab' ich hier wie fast alle Kids gegen den Fußball getreten und daran viel Spaß gehabt. Mit zwölf kam dann das Skaten dazu. Damals habe ich keinen Gedanken daran verschwendet, daraus mal meinen Beruf zu machen, geschweige denn, dass man damit überhaupt Geld verdienen könnte. Das hat sich erst mit der Zeit so ergeben, weil ich ein sehr zielstrebiger und ehrgeiziger Typ bin und ich das Skaten auch einfach so geil fand. Ich habe das Skaten immer als sehr faszinierenden Sport empfunden und nicht als Lifestyle, so wie du das damals für die Mädels gesehen hast."

FREEMEN'S WORLD: Das könnte ein Grund dafür sein, dass ich heute keinen Oli mehr hinbekomme, und du Contests auf der ganze Welt fährst.

Alex Mizurov: "Könnte ein Grund sein. Ich wollte aber auch einfach immer verstehen wie das alles funktioniert. Ich fand das faszinierend, wie krass sich das Brett bewegen kann, wenn man auf eine bestimmte Stelle zur richtigen Zeit aufs Holz drückt. Und das Skateboard macht dann das, was du willst. Ich bin, was so etwas angeht, sehr detailverliebt, und habe deshalb über viele Jahre an meinem Style und meinen Tricks gearbeitet. Dann kam wie bei jedem jungen Menschen der Moment, an dem ich mir überlegen musste, was mach' ich denn jetzt eigentlich beruflich. Ich hatte 'nen Hauptschulabschluss und bin danach noch mal zur Wirtschaftsschule gegangen. Hab' da aber schnell gemerkt: Das ist nix für mich. Zu dem Zeitpunkt wurden so langsam die ersten Sponsoren auf das Skaten aufmerksam und ich war damals oft auf Contests und habe gemerkt, ich kann das ganz gut. Also bin ich in dem Dunstkreis geblieben und habe erst mal angefangen im Einzelhandel, also in einem Skateshop von Titus zu arbeiten. Dann kam eines zum anderen. Ich hab' einige Sponsoren kennen gelernt und bei diversen Contests gut abgeschnitten. So ist das dann stetig mehr geworden. Und irgendwann, mehr überraschend als vollkommen konkret geplant, kam der Moment, in dem ich mit Preisgeldern, Sponsorenzuwendungen, Fotostrecken und Videodrehs genug Geld verdient habe, um mein Leben davon bestreiten zu können. Klingt vielleicht unspektakulär, war aber 'ne aufregende und geile Zeit." (lacht)

FREEMEN'S WORLD: Apropos aufregend. Olympia steht vor der Tür und Skateboarden ist das erste Mal als Disziplin vertreten. Leider hat es dieses Mal kein Deutscher durch die harte Qualifikation nach Tokyo geschafft, du auch nicht. Was erwartest du trotzdem von dem Event? Wird es anders als die bereits bestehenden großen Contests, bei denen ja auch die Crème de la Crème der Skateboardwelt zusammenkommt?

Alex Mizurov: "Ja und nein. Ich wäre natürlich echt gerne in Tokyo dabei, das ist ja klar. Aber auch zum Zuschauen wäre es geil gewesen. Das geht durch Corona aber leider auch nicht. Den Skatepark konnten wir uns schon anschauen. Der ist riesig und wirklich geil. Aber trotzdem wird der reine Event, nur weil Olympia draufsteht, nicht anders als die großen internationalen Contests. Allerdings wird die allgemeine Aufmerksamkeit sicher um ein Vielfaches größer sein und das pusht eben schon ganz klar, dabei sein zu wollen."

FREEMEN'S WORLD: Da gibt es ja aber auch viele, die schnell die kommerzielle Keule auspacken und den Teufel aufs Board malen, wenn eine Organisation wie das IOC daherkommt und seinen Mantel über eine Sportart wirft. In der Windsurfszene wurde das beispielsweise sehr kritisch gesehen. Wie nimmst du oder auch die anderen Jungs auf den Contests das war?

Alex Mizurov: "Natürlich gibt es einige, die das scheiße finden, dass da eine Organisation kommt und meint: 'Ihr seid jetzt olympisch.' Die mögen dieses Label einfach nicht. Außerdem gibt es bei so einem Event natürlich jede Menge Regeln und wenn man mitmachen will, muss man sich auch daran halten. So freestyle und locker, wie die meisten Skateevents ablaufen, wird es bei Olympia natürlich nicht sein. Da ist alles minutiös geplant. Egal ob Warm-up, Corona- und Dopingtests, Interviews oder der Contest selbst. Alles ist durchgetaktet. Wenn man gegen diesen Zeitplan verstößt, bekommt man einen Strike und bei drei Strikes fliegt man aus dem Team. Das ist schon heftig. Dass das einige nervt, kann ich gut verstehen. Aber ich sehe es eher so, dass Olympia viele Leute auch ordentlich pushen und ihnen eine Plattform bieten kann, die viele sonst nie bekommen würden. Für mich ist das einfach ein neuer, sehr großer Event, der noch dazukommt. Dadurch sehen vielleicht Kids das Skaten mal im TV und denken: 'Ey, das sieht cool aus, dass probier' ich mal.' Olympia gibt dem Skatesport einfach mehr Aufmerksamkeit und neue Publicity. Da erkenne ich nicht viel Negatives."

FREEMEN'S WORLD: Aber Olympia profitiert natürlich auch vom Skaten oder?

Alex Mizurov: "Aber sicher! Ganz stark sogar in gewissen Bereichen. Ich weiß nicht, wie andere das sehen, aber für mich sind viele Olympiasportarten schon etwas langweilig und angestaubt. Da bietet so eine Sportart wie Skaten, oder auch Snowboarden, natürlich auf einmal spektakuläre Bilder und ein neues Maß an Action. Die Verantwortlichen wussten schon, was sie da machen, die haben nicht gewürfelt und Skaten hat zufällig gewonnen."

FREEMEN'S WORLD: Wo wir gerade von Regeln und vom Profitieren sprechen. "Team Toyota" hat ja sicher auch nicht einfach gewürfelt und du hast gewonnen.

Alex Mizurov: (lacht) "Nee, Toyota hat nicht gewürfelt. Witzigerweise war es, was eher unüblich ist, ich, der den ersten Schritt auf Toyota zugemacht hat. Ich hatte damals mitbekommen, dass Toyota dabei ist, ein Team für Olympia aufzustellen. Da Skaten zu dem Zeitpunkt gerade erst als olympische Disziplin aufgenommen wurde, habe ich einfach mal angefragt, ob die im Rahmen des Toyota Teams nicht vielleicht mit mir zusammenarbeiten wollen würden, und so kam dann eins zum anderen."

FREEMEN'S WORLD: Wie ist das für dich, Teil eines so großen sportartübergreifenden Teams zu sein?

Alex Mizurov: "Das mit den anderen Athleten ist, ehrlich gesagt, hammergeil. Auch wenn wir bis auf die Volleyballer alle Einzelsportler sind, existiert ein motivierender Kollektivgeist. Obwohl man sich in den anderen Sportarten vielleicht nicht ganz so auskennt, hat man Kontakt untereinander, was zum Beispiel bei Verletzungen oder auch anderen Problemen sehr hilfreich sein kann. Man profitiert von den Erfahrungen der anderen, denn auch wenn wir alle was anderes machen, gibt es bei den Abläufen als Profisportler doch klare Überschneidungen. Ob das der Umgang mit Rückschlägen oder aber auch mit großen Erfolgen ist."

FREEMEN'S WORLD: Klingt ziemlich professionell. Die Zeiten, in denen man seine Jungs und Boards in den Wagen gepackt und das ganze Wochenende bei einer Ernährung zwischen Döner und Dosenbier auf einem Contest verbracht hat, sind bei dir sicher vorbei oder?

Alex Mizurov: "Das ist auf jeden Fall anders jetzt, ja. Ich habe viele Kumpels, die immer noch mit dem Van und Board nach Frankreich fahren. Freestyle reisen, freestyle skaten. Ich finde das super, jeder so, wie er es mag. Wenn das dein Ding ist, cool. Aber für mich war das nie was." (lacht) "Ich war schon immer jemand, der es gut findet, wenn es Struktur gibt und ein Contest, eine Shootingreise, ein Videodreh oder was auch immer gut geplant ist. Ich bin circa sechs Monate im Jahr im Ausland auf Reisen unterwegs. Das klingt immer mega spannend und cool, kann aber auch richtig anstrengend und stressig sein. Ganz besonders, wenn nichts geplant ist. Daher fühle ich mich bei Toyota sehr wohl. Die sind extrem strukturiert, organisiert und vorausschauend, das liebe ich sehr."

FREEMEN'S WORLD: Erinnert mich irgendwie an die Zeit, als man damals noch bei Muddi gewohnt hat. Herrlich war das.

Alex Mizurov: (lacht) "Hotel Muddi war noch besser. Aktuell muss ich meine Wäsche selber waschen."

FREEMEN'S WORLD: Das zeigt, dass du trotz deiner Erfolge auf dem Boden geblieben bist. Wo wir gerade in der Vergangenheit sind: Wie sieht deine Zukunft aus? Sehen wir dich bei Olympia 2024?

Alex Mizurov: "Wohl eher nicht! Da bin ich dann 37. Denn Stress tue ich mir dann wahrscheinlich nicht mehr an. Aber lassen wir uns mal überraschen."

Über FREEMEN'S WORLD: FREEMEN'S WORLD richtet sich an moderne Männer, an Macher, an Helden des Alltags. Männer, die Beruf, Familie, Freunde und Hobbys trotz aller Widrigkeiten unter einen Hut bekommen, die ihre Träume verwirklichen, die Faszination und Abenteuer suchen und sich das auch leisten können.

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