Ist der europäische Terror eine Erfindung der NATO?
Es ist genau 22.19 Uhr, als die Bombe mit 1,39 Kilogramm TNT explodiert. 13 Menschen sind tot, 211 weitere verletzt. Tatort: das Münchner Oktoberfest am 26. September 1980. War der Terror von der NATO inszeniert?

Der Attentäter stirbt bei der Explosion und wird anhand seines Reisepasses identifiziert. Sein Name: Gundolf Köhler – sozial isoliert, Einzeltäter. So heißt es. Erst viele Jahre später wird deutlich, dass hier nicht ein einzelner Wirrkopf am Werk war.
Manche Fragen der Geschichte finden kaum seriöse Beachtung, weil sie als irre Verschwörungstheorien abgetan werden. Wer als Journalist nach dem Oktoberfestattentat andeutete, dass alle Spuren zu einer Geheimarmee der NATO deuteten, beging beruflichen Selbstmord und wurde als Spinner abgetan.
Wer bei deutschen Regierungsbehörden nachhakte, erhielt keine Antwort – nur das mulmige Gefühl, eine verbotene Frage gestellt zu haben. Bis die Wahrheit zumindest teilweise herauskam: Dass in Westeuropa eine paramilitärische Geheimorganisation operierte, die sich bis heute nicht vor einem Gericht verantworten musste.
Ist der europäische Terror eine Erfindung der NATO?
Ihr Name: Gladio. Ihr offizieller Auftrag: Sollte die Sowjetunion Westeuropa überrollen, würden die Kämpfer dieser von der amerikanischen CIA und vom britischen MI6 finanzierten Operation zurückbleiben und den Feind von innen heraus bekämpfen.
Das war dieTheorie. In Wahrheit aber inszenierten diese Einheiten ab 1969 Anschläge, die dem politisch linken Spektrum zugeordnet wurden. Am 2. August 1980 verübt Gladio das verheerendste Attentat: einen Bombenanschlag auf dem Bahnhof im italienischen Bologna, bei dem 85 Menschen getötet werden.
Die Absicht von Gladio ist so einfach wie perfide: Mit derartigen Terrorakten soll Angst in der Bevölkerung verbreitet werden. Den verängstigten Bürgern kann man dann leichter neue Gesetze, harte Fahndungsmethoden und drastische Sicherheitsvorkehrungen verkaufen – zur der Terrorismusabwehr.
So wie nach dem Oktoberfest-Attentat. Doch bei der Ausführung läuft einiges schief: Die Bombe geht zu früh hoch. Der Attentäter Gundolf Köhler hätte spurlos verschwinden sollen, stattdessen findet man bei seiner Leiche sogar seinen Reisepass.
Und plötzlich geraten – von Gladio nicht beabsichtigt – Rechtsextreme ins Visier, zu denen Köhler Kontakt hatte. "Heute wissen wir, dass alle Spuren im Fall Köhler auf Gladio hindeuten", sagt der Historiker Daniele Ganser.
Er hat die Machenschaften von Gladio aufgedeckt. 1990 wird die Organisation offiziell von Italien und Frankreich aufgelöst, Deutschland folgt 1991. Doch bis heute ist ungeklärt, warum diese Geheimarmee außer Kontrolle geriet, wer sie konkret anführte und wie viele Mitglieder involviert waren.
Die NATO gibt bis heute an, sich nicht zu geheimen Operationen zu äußern. Anders ausgedrückt: Welche Personen wirklich hinter Gladio stecken, ist noch immer eine verbotene Frage.